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08.05.2011

OGH 6 Ob 38/11 y: Mietzinsminderung setzt Anzeige des Mangels voraus

Der Oberste Gerichtshof hat zuletzt eine interessante Frage zur Mietzinsminderung, nämlich der Anzeigebdürftigkeit eines Mangels, klargestellt:

Die klagsgegenständliche Wohnung wurde seit ihrer Anmietung im Jahr 1987 bis 1991 von der Schwester des Klägers, danach auch vom Kläger selbst, jedenfalls bis 2008 bewohnt. Bereits im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses wies die elektrische Anlage der Wohnung Mängel auf, welche sowohl eine Personengefährdung (Gefahr für Leib und Leben) als auch eine Gefahr für die Bausubstanz in Form einer permanenten Brandgefahr darstellten. Der Kläger ging bei der Anmietung und in der Folge davon aus, dass die Elektrik zwar veraltet, aber durchaus funktionstüchtig ist. Deren Gefährlichkeit war dem Kläger nicht bekannt und für ihn auch nicht erkennbar. Der Kläger begehrt die Zahlung von 28.420 EUR sA für den Zeitraum November 1987 bis November 1999, wobei er sich auf Mietzinsminderung gemäß § 1096 ABGB stützt.

Diesen Sachverhalt beurteilte der der Oberste Gerichtshof wie folgt:
Es geht aber um die allgemeine Frage, ob bzw inwieweit gefährliche Elektroinstallationen auch dann eine Reduktion des Mietzines rechtfertigen, wenn der Bestandnehmer die Wohnung in Unkenntnis dieses Mangels jahrelang uneingeschränkt benützt hat.
Im Vollanwendungsbereich des MRG werden die Erhaltungspflichten des Vermieters durch die Regelung des § 3 MRG im Wesentlichen auf die Arbeiten an den allgemeinen Teilen des Hauses und, soweit es sich um Mängel im Inneren des Mietobjekts handelt, auf ernste Schäden des Hauses bzw auf erhebliche Gesundheitsgefahren beschränkt. Nach § 3 Abs 1 MRG bleibt jedoch § 1096 ABGB „im Übrigen unberührt“. Aufrecht bleibt im Anwendungsbereich des § 3 MRG jedoch die Mietzinsminderung bei Gebrauchsbeeinträchtigungen. Wenn das Bestandstück bei der Übergabe derart mangelhaft ist oder während der Bestandzeit ohne Schuld des Bestandnehmers derart mangelhaft wird, dass es zu dem bedungenen Gebrauch nicht taugt (zuletzt 7 Ob 90/10a), bestehen Ansprüche auf Mietzinsminderung. Bei der Mietzinsminderung nach § 1096 Abs 1 Satz 2 ABGB handelt es sich um einen Gewährleistungsanspruch eigener Art, der unabhängig von den Fristen des § 933 ABGB geltend gemacht werden kann, nicht vom Verschulden des Bestandgebers am Eintritt des Mangels abhängt und ex lege ab Beginn der Unbrauchbarkeit bzw Gebrauchsbeeinträchtigung des Bestandobjekts bis zu deren Behebung besteht. Der fehlende bedungene Gebrauch muss merklich sein. Der Mieter muss also in seinem Gebrauch in welcher Form auch immer beeinträchtigt sein, sei es, dass er übliche Tätigkeiten im Haushalt nur in eingeschränktem Umfang durchführen könne oder sich aber die geschäftliche Tätigkeit (nicht mehr) wie bisher ausüben lasse. Zu § 1097 ABGB, wonach der Bestandnehmer dem Vermieter Anzeige erstatten muss, wenn „Ausbesserungen“ notwendig werden, entspricht es ganz herrschender Auffassung, dass der Verstoß gegen diese Verpflichtung nicht nur schadenersatzpflichtig machen kann, sondern auch zum Verlust des Rechts auf Mietzinsminderung führt. In Hinblick auf zwischenzeitige gesetzliche Änderungen muss dies wie zu zeigen sein wird aus systematischen Gründen nicht nur für „Ausbesserungen“, sondern allgemein für das Recht auf Bestandzinsminderung nach § 1096 ABGB gelten: Tragender Grundsatz der Gewährleistungsreform war soweit im vorliegenden Fall von Belang das Prinzip der „zweiten Chance“. Dieses Prinzip gilt grundsätzlich auch im Bestandrecht. Nur durch die Anzeige des Mangels wird aber dem Vermieter die Möglichkeit gegeben, den Mangel zu beheben und damit die Mietzinsminderung zu vermeiden. Damit trägt die Anzeigepflicht zu einer erhöhten Wertungskonsistenz zwischen Wohnrecht und allgemeinem Zivilrecht bei. Aus dieser Überlegung ist aus der eine Anzeigepflicht für den Pächter statuierenden Regelung des § 1108 ABGB kein Umkehrschluss zu ziehen.

Ins Gewicht fallende Nachteile für den Mieter sind damit nicht verbunden. Dem Bestandnehmer bleibt es unbenommen, die Anzeige später nachzuholen und ab diesem Zeitpunkt den Mietzins zu mindern, sofern dann keine Behebung des Mangels erfolgt. Im Normalfall wird sich der Mieter bei auftretenden Mängeln schon im eigenen Interesse rechtzeitig an den Vermieter wenden. Eine Anzeige des Mangels liegt im Übrigen auch darin, dass der Mieter unter Bezugnahme auf diesen Mangel bei Gericht oder der Schlichtungsstelle ein Mietzinsüberprüfungsverfahren einleitet. Nach den Materialien (1183 BlgNR 22. GP 40 ff) erschien die bisherige Rechtslage, wonach sich der Mieter auf eine Unbrauchbarkeit in Zusammenhang mit der Kategorieeinstufung auch ohne vorhergehende Rüge berufen könne, als unbefriedigend. Diese Rechtslage erweise sich in der Praxis zuweilen als echte „Vermieterfalle“, weil in manchen Fällen Vermieter von einer solchen Unbrauchbarkeit überrascht würden, daher keine Sanierungsmöglichkeit mehr vorfänden und sich mit den Folgen einer entsprechend schlechteren Einstufung der Wohnung im Kategoriesystem zufrieden geben müssten. So könne es beispielsweise zur Herabstufung eines als Kategorie A Wohnung vermieteten Mietgegenstands in die Kategorie D kommen, wenn etwa wegen einer gefährlichen Elektroinstallation und eines verhältnismäßig hohen Aufwands zur Behebung dieser Gefährlichkeit die Unbrauchbarkeit der Wohnung angenommen werde. Um auch in solchen Fällen dem Vermieter die Möglichkeit einer kategoriewahrenden Sanierung zu geben, werde die bisher nur in § 15a Abs 1 Z 4 MRG vorgesehene Sanierungsmöglichkeit nach Anzeige durch den Mieter nun auf alle Fälle der Unbrauchbarkeit ausgedehnt. Eine derart umfassende Möglichkeit zur Mängelbehebung nach Anzeige stehe auch mit den Grundsätzen des neuen Gewährleistungsrechts im Einklang (1183 BlgNR 22. GP 41).

Das vom Gesetzgeber aus Anlass der Wohnrechtsnovelle 2006 erkannte Problem besteht jedoch nicht nur im Bereich der Kategorieeinstufung, sondern in gleicher Weise im Rahmen der Mietzinsminderung nach § 1096 ABGB. Gerade der vorliegende Fall zeigt dies deutlich: Der Kläger bzw seine Schwester haben jahrelang die Wohnung unbeanstandet und uneingeschränkt benützt. Könnten sie jetzt gestützt auf § 1096 ABGB einen erheblichen Teil des Mietzinses zurückfordern, so würde sich gerade jene „Vermieterfalle“ realisieren, die der Gesetzgeber der Wohnrechtsnovelle 2006 vermeiden wollte. Zur Vermeidung eines krassen Wertungswiderspruchs ist daher die § 15a Abs 2 MRG zugrunde liegende Wertung auch auf die Mietzinsminderung nach § 1096 ABGB zu erstrecken. Dies bedeutet im Ergebnis, dass die Mietzinsminderung nach § 1096 ABGB eine Anzeige iSd § 1097 ABGB voraussetzt.
Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um ein dem MRG unterliegendes Objekt handelt oder nicht, weil dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden kann, dass er außerhalb des Anwendungsbereichs des MRG „Vermieterfallen“ weiter bestehen lassen wollte und damit den Mieter außerhalb des Anwendungsbereichs des MRG sogar günstiger stellen wollte als in dessen Vollanwendungsbereich.
Da im vorliegenden Fall im klagsgegenständlichen Zeitraum unstrittig keine Anzeige an den Vermieter erstattet wurde, besteht daher für diesen Zeitraum für eine Mietzinsminderung kein Raum.
 

 

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