
Als Öffi-Fahrer findet man sich oft in Situationen wieder, auf die man lieber verzichtet hätte. Der Oberste Gerichtshof hatte sich in der Entscheidung 2 Ob 138/24v vom 10.09.2024 mit der Frage zu beschäftigen, ob die Wiener Linien haften, wenn ein Fahrgast missbräuchlich den Zugnotstopp betätigt und aufgrund der dadurch automatisch einsetzenden Gefahrenbremsung Fahrgäste stürzen und sich dabei verletzen.
Die Klägerin forderte insbesondere Schadenersatz von den Wiener Linien und bekam in allen Instanzen Recht. Der OGH setzte sich intensiv mit der haftungsbegründenden außergewöhnlichen Betriebsgefahr iSd des Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetzes (EKHG) auseinander. Wenn ein Schaden durch den Betrieb einer Eisenbahn, Straßenbahn, U-Bahn, etc verursacht wird, haftet der Betriebsunternehmer verschuldensunabhängig (Gefährdungshaftung). Diese Haftungsregel ist konträr zum Regelfall im Zivilrecht – der Verschuldenshaftung. Wird durch die gewöhnliche Betriebsgefahr eine besondere Gefahrensituation hervorgerufen, so haftet der Betriebsunternehmer, unabhängig davon, ob ihm ein Verschulden trifft. Diese sogenannte außergewöhnliche Betriebsgefahr verwirklicht sich beispielsweise, wenn das Fahrzeug bzw die Eisenbahn aufgrund eines auf der Straße – oder dem Gleis – befindlichen Tiers verrissen wird bzw eine Schnellbremsung veranlasst wird.
Im vorliegenden Fall wird die vorerst nur in der Geschwindigkeit bestehende allgemeine Betriebsgefahr zu einer außergewöhnlichen gemacht, die in der Anhaltung des Zugs infolge der Schnellbremsung besteht. Diese ist unmittelbar ursächlich für den Schaden der Klägerin. Die Wiener Linien müssen somit für die missbräuchliche Betätigung der Notbremse durch einen Dritten haften.