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12.09.2010

Haftung des Getränkeherstellers bei Explosion einer eingefrorenen Mineralwasserflasche § 9 Ob 60/09 b

Der Oberste Gerichtshof setzte seine Judikaturlinie zur Produkthaftung aufgrund explodierender Flaschen fort: Explodiert eine teilentleerte Mineralwasserflasche, weil sie zwecks schnellerer Kühlung ins Gefrierfach gegeben wurde, so haftet der Produzent nach dem Produkthaftungsgesetz (PHG) für die verursachten Schäden.

Eine Reinigungsangestellte öffnete im Zuge ihrer Tätigkeit eine Kühlschranktür, es kam zur Explosion. Die Flasche war vor der Explosion - ohne dass Zeitpunkt und Urheber näher feststellbar waren - in teilentleertem Zustand zunächst ins Gefrierfach und dann wieder in den normalen Kühlbereich gestellt worden. Durch Splitter verlor die Frau unglücklicherweise ein Auge.

Der Oberste Gerichtshof bejahte die Haftung des Herstellers nach dem Produkthaftungsgesetz. Dieses Gesetz sieht eine Gefährdungshaftung des Herstellers für gefährliche, weil die berechtigten Sicherheitserwartungen nicht erfüllende Produkte, vor. Derjenige, der den Nutzen aus einer gefährlichen Sache zieht, soll bei Verwirklichung der Gefahr dafür haften. Bei der Gefährdungshaftung wird deshalb ohne Rücksicht auf ein Verschulden gehaftet, es wird ein Ausgleich hergestellt.

Nach dem Obersten Gerichthof ist der Begriff des Fehlers im PHG von zentraler Bedeutung, jede Ersatzpflicht setze ein fehlerhaftes Produkt voraus. Ausschlaggebend hierfür sind die berechtigten Sicherheitserwartungen, mit denen gerechnet werden darf. Diese Rechtsfrage, welche Produktsicherheit im, Einzelfall erwartet werden darf, ging zu Ungunsten des Herstellers aus. Dass eine explodierende Flasche diese Erwartungen nicht erfülle, ist klar, zu prüfen war, ob das Einfrieren noch als sozialtypischer Gebrauch zu sehen ist.

Der Oberste Gerichthof bejahte diese Frage, das sei geübtes Verbraucherverhalten und für den Hersteller vorhersehbar. Kurzfristiges Tiefkühlen zum rascheren Einkühlen und nicht zum Frieren stelle sich als im Gewohnheitsbereich von Verbrauchern üblich dar.

„Der vermutlich vielen Verbrauchern aus dem Physikunterricht in der Schule oder aus sonstigen Quellen bekannte Effekt, dass Wasser bei Minusgraden gefriert, sich beim Gefriervorgang ausdehnt und eine Glasflasche zum Platzen bringen kann, dürfte viele Verbraucher davon abhalten, Mineralswasserflaschen gezielt einzufrieren. Er hält aber erfahrungsgemäß nicht vom vorstehend erwähnten kurzfristigen Tiefkühlen ab, bei dem ja gerade kein Gefrieren des Getränks beabsichtigt ist […] Gelegentlich wird allerdings beim kurzfristig geplanten Tiefkühlen auf die rechtzeitige Beendigung dieses Vorgangs vergessen“.

Diese Situation sei dem Hersteller damit keineswegs unvorhersehbar und stellt normalen Produktgebrauch dar (also keinen geradezu absurden Produktgebrauch). Auch seien Literflaschen geradezu prädestiniert, nicht auf einmal ausgetrunken zu werden.

Der Produzent berief sich auf den Haftungsausschluss des § 8 Z 2 PHG. Diese Haftungs-feizeichnungsklausel, nach der der Produzent nicht haftet, wenn der Fehler beim Inverkehrbringen des Produktes nach dem Stand der Wissenschaft und Technik nicht als Fehler erkannt werden konnte, kommt nach dieser Entscheidung nicht zum Tragen, weil losgelöst vom konkreten Hersteller, auf den höchsten Stand der Wissenschaft und Technik abzustellen sei. Es erscheine kaum vorstellbar, dass es diesem höchsten Stand der Wissenschaft und Technik bisher verborgen geblieben ist, dass Kohlendioxid in einem ge-schlossenen Behältnis einen enormen Druck entfalten kann, so der Oberste Gerichtshof. „Die Beherrschung des Drucks des Kohlendioxid sei eine wesentliche technische Herausforderung für den Mineralwasserhersteller“.

Im Ergebnis wurde der Anspruch dem Grunde nach stattgegeben, auch das Feststellungsbegehren wegen möglicher Dauerfolgen ist nach dem OGH gerechtfertigt.

In einer früheren Entscheidung (4 Ob 87/97s) sprach der Oberste Gerichtshof schon folgende Begründung aus: „Das Produkthaftungsgesetz wurde ja gerade (ua) deshalb geschaffen, weil das Risiko von schuldlosen Fehlproduktionen ("Ausreißerschäden") wirtschaftlich leichter vom Produzenten getragen werden kann “. Die vorliegende Entscheidung reiht sich daher nahtlos in die Judikaturlinie des Obersten Gerichtshofes, der dem Konsumenten den Weg zu Schadenersatz – wohl auch in Übereinstimmung mit den erwägungen der Europäischen Union – möglichst erleichtern will.

 

 

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